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1389 v. Chr.: Uaset, Kemet Bent, äußerlich geheilt, innerlich zerrissen, versucht ihrer grausamen Vergangenheit zu entfliehen, nimmt daher das Amt der Hohepriesterin im Tempel der Isis an. Doch das Studium der geheimen Schriften und das Lernen der Heilkunst sind nicht ihr alleiniges Bestreben. Fieberhaft versucht sie aus den Mysterien der Isis Heka Achu zu lernen – das Zaubern! Wird es ihr gelingen, das Grab ihres Kindes und ihrer Freundinnen zu finden? Wird sie es schaffen, ihr Haus aus Trümmern auferstehen zu lassen? Denn eines Tages steht sie wieder ihrem Peiniger Amenophis Hapu gegenüber! Und was sie einst der furchterregenden Sachmet geschworen hatte, nimmt unverhofft eine blutige und grausame Wendung.
... „Ich heiße
Kara!“ Bent erwachte wie
aus einem Alptraum, als die junge, ziemlich verheult aussehende Frau eintrat
und sich vorstellte. Bent räumte den Teller mit dem Wasser beiseite, worin
sie seit dem Sonnenaufgang wie ein Geist gestarrt hatte. Diese Augen! Waren
das ihre? Je länger sie sich angeschaut hatte, um so heller waren sie
geworden. Unheimlich, bleich, wie die Augen von Blinden, ohne Leben und
Feuer. Und wie ein Schleier – genau wie jener, den sie sich vors Gesicht
gelegt hatte, wenn sie sich unerkannt in der Stadt bewegen wollte – wie ein
Schleier, den man sich von den Augen hebt, lichtete sich mit der aufgehenden
Sonne ihr Geist. Schmerzlich kam ihr zu Bewußtsein, wer sie war. Beinahe
alles kam ihr in den Sinn. Ihr Leben und was noch viel schlimmer war: ihr
Sterben! Die schrecklichen
Erlebnisse der vergangenen Nacht waren doch niemals ein Traum gewesen? Sowas
Grauenvolles träumte man doch nicht? Sie selbst sterbend am Boden. Dazu
diese gewaltige Löwin hier in diesem Raum, die während eines grausamem
Kampfes mit Iaret im Blutrausch deren Kehle durchbissen hatte; schließlich
diese funkelnde Göttin, die die rasende Löwin vertreiben konnte. Geistesabwesend
wischte Bent das verschüttete Wasser von der Tischplatte, rückte den Stuhl
zurecht, schaute die Besucherin an. Irgendwo in den Tiefen ihres Bewußtseins
war sie sich sicher, diese junge Frau schon einmal gesehen zu haben. Doch wo
und wann? „Ich soll dir das
hier geben!“ Kara hielt ihr zitternd einen dicken, klimpernden Schlüsselbund
und eine Schriftrolle hin. Bent griff gedankenverloren danach. „Iaret hat
mir gesagt, daß ich dir das geben soll. Sie hat gesagt, wenn sie heute nicht
mehr hier sei, wärest du die Oberste unseres Hauses. Sie ist nicht mehr
hier. Sie verstarb letzte Nacht.“ Kara hob den Ärmel ihres Kleides und
wischte sich damit kräftig über die laufende Nase und den Tränen auf ihren
Wangen. „Tot?“ Bent
räusperte sich mehrmals; diese Stimme drang doch nicht aus ihrer Kehle?
Rauh, hart, wie wenn sie gestern den ganzen Tag verschwitzt und erhitzt in
einem zugigen Korridor gestanden wäre. „Sie war aber
hier!“ Wieder dieses Krächzen. Tief und dumpf aus den Tiefen ihrer selbst,
unheilvoll und böse klingend. Mißmutig, voller Angst, geschockt von dem in
der Nacht erlebten schaute sie der Besucherin ins Gesicht. Diese schien
ebensolche Angst zu empfinden. Scheu, bebend, zögernd stand Kara ihr am
Tisch gegenüber. „Ich habe Funken
gesehen“, erklärte Kara mit bebender Stimme. „Und Iaret verschwand…“
Abermals schneuzte sie sich heftig in den Ärmel. Und da sie sich
offensichtlich in ihrer Trauer Asche aufs Haupt gestreut hatte, staubte sie
auch ein wenig. „Da ist eine kleine Luke in der Tür. Ich habe das alles mit
eigenen Augen gesehen. Aber… es… ich will es gar nicht wissen, und… Iaret
hat gesagt, alles käme ins rechte Gleichgewicht. Also bist du ab heute hier
verantwortlich… ich will und werde das nicht anzweifeln. Aber du wirst
verstehen, daß ich für den Moment…“ Ihr versagte die zitternde Stimme.
Bent beugte sich
wütend über den Tisch: „Ich kann das nicht!“ Fauchend klang das, wütend und
unbeherrscht. „Aber du wirst
doch schon mal ein Haus geführt haben?“ Fast meinte Bent, kaltes Entsetzen
in Karas Stimme zu hören. „Du bist eine erwachsene Frau, hattest bestimmt
Mann und Kinder…“ Ängstlich wich sie rückwärts zur Tür. „Schweig!“ Bent
fauchte wie eine in die Enge getriebene Katze. „Ich habe weder Mann noch
Kinder!“ Ich hatte ein
Haus, schoß es ihr durch den Kopf, ich hatte ein Kind, ich hatte einen Mann…
Kurru, nein! Nein, ein anderer?
Parser? Wer bin ich?
Amenhotep Hapu? Oh, dieser Name
flößte ihr Furcht ein, niemals gehörte diese Person ihrem Leben an.
Nefertem? Wie Schwälbchen im
Spätsommer schwirrten wirre Gedankenfetzen in ihrem Kopf umher. Nefertem!
Ja, das hörte sich richtig an. Idris?
Ach, würden sich doch nur ihre Gedanken ordnen! „Was ist das hier
für ein Haus? Was für eine Wirtschaft?“ Kara wich weiter
zur Tür zurück. Bent versuchte sich zu beherrschen. Diese Stimme! Oh, sie
verstand! Davor hatte Kara Angst. Und bestimmt auch vor den bleichen, toten
Augen. „Bitte!“, versuchend, sich ein Flehen in die Stimme zu legen, trat
sie hinter dem Tisch hervor. „Ich… es ist, als
hätte ich gestern zuviel Wein getrunken. Ich weiß nicht, wo ich bin, wer ich
bin, warum ich hier bin. Und dann kommst du, und sagst, ich solle hier das
Haus übernehmen!“ „Du bist im Tempel
der Isis!“ Einem abermaligen trompetenden Schneuzen folgte ein
bedauernswerter Schluchzer.
Bent sank
zurück auf den Stuhl. Beißend klar und schonungslos lichteten sich die
Schatten der Vergangenheit. Lauter unsinnige Gedanken kamen ihr. Waren das
ihre eigenen? Oder wurden sie ihr von grausamen, unheimlichen Dämonen der
Unterwelt eingeflüstert? Sie glaubte, eine keifende, zänkische
Stimme zu hören:
„Hüte dich
vor dem Tempel der Isis! Nichts als Zauberinnen sitzen in seinen Mauern,
dazu gemacht, kleine, dumme Mädchen wie dich einzufangen und für ihre Zwecke
zu benutzen!“ „Seit wann?“ „Beinahe zwei
Jahre!“ „Und wieso kann
ich mich nicht daran erinnern?“ „Du warst sehr
krank.“ „Aber jetzt bin
ich gesund? Und die Herrin dieses Hauses?“, spottete Bent. „So, wie ich
jetzt aussehe? Ich war verbrannt, entstellt, aber ich meine, mich zu
erinnern, daß weder meine Augen so aussahen noch daß sich meine Stimme so
schauderhaft anhörte. Als würden Raben krächzend um einen Kadaver fliegen…“ Ein leises
Mau unterbrach sie. Sanft strich
ein sandfarbenes Kätzchen mit grünen Augen um ihre Beine, rieb schnurrend
sein Köpfchen an ihrer Wade. „Das ist ja Iarets
Katze!“ Kara freute sich wirklich das Tier zu sehen. Bent hob es hoch, legte
es sich wie einen Säugling in den Arm, drückte die
Miu liebkosend an die Brust,
kraulte das Kätzchen hinterm Ohr. „Ich hielt immer Katzen. Meist schwarze.
Aber du bist wohl eine kleine Löwin?“ „Sie heißt Bast!“
Kara zog den zweiten Stuhl bei, in den sich zögerlich setzte. „Ach was? Nein,
wirklich ein toller Name für eine Katze! Fürwahr!“, schnaubte Bent
spöttisch, „Fast so grotesk wie mein Name!“ Das Kätzchen wand sich aus der
Umarmung, setzte sich vor Bent auf die Tischplatte und stupste Bents Nase
mit ihrer eigenen an. „Wir zwei verstehen uns!“ Bent zwinkerte und
streichelte dem Tierchen über den Rücken. Mit einem Satz hüpfte Bast vom
Tisch auf das Bett, kuschelte sich in der Decke ein, schnurrte was das Zeug
hielt.
Bent
betrachtete die Räume: etwas düster, sehr altes Gemäuer. An den Säulen
erkannte man verwitterte Medu
Netjer
[1], durch die
Öffnungen unter der hohen Decke drang Licht. In dem anderen Raum ein in die
Jahre gekommenes Bett, hier dieser massive Tisch an dem sie saß mit seinen
zwei Stühlen, ein kleiner, zierlicher Eßtisch vor einem altersschwachen
Sessel, ein Wasserkrug mitsamt Ständer und eine altmodische, rußige Lampe
bildeten neben einer Truhe die gesamte Einrichtung. Die Tür wurde
aufgerissen, eine Frau hastete herein, hielt einen Moment inne, betrachtete
mißbilligend die anscheinend in angenehmen Plausch vertieften Frauen am
Tisch. „Was quatschst du
hier, Kara! Los, komm! Iaret bricht zu ihrer letzten Reise auf. Laß sie, sie
ist eine arme, gefährliche Irre!“ „Iaret hat aber
gesagt…“, versuchte Kara einen Einwand, aber die andere unterbrach sie
barsch: „Iaret ist tot und
draußen stehen die Mumienmacher. Du bist Iaret einen würdevollen Abschied
schuldig. Sieh gefälligst zu, daß du hier alles am Laufen hältst. Auf wen
sollen wir uns nun verlassen, wenn nicht auf dich! Und jetzt komm!“, sie
packte Kara zornig am Arm, wollte sie vom Stuhl hochziehen, „Weg hier, die
ist unberechenbar!“ „Laß mich los,
Pesechet!“ Kara zerrte ihren Arm aus Pesechets Umklammerung und, wütend
geworden, ein weiteres Schriftstück aus ihrer Kleidertasche. Obwohl Bent
Kara erst wenige Augenblicke bewußt kannte, Wut oder Widerstand hätte sie
dieser jungen Frau niemals zugetraut. Die andere las derweil das Schreiben,
stopfte es grob zurück in Karas Tasche, verließ, aschfahl geworden, wortlos
den Raum und knallte die Tür hinter sich, daß es nur so schepperte. Bent stand auf,
trat um den Tisch herum, Kara kauerte sich auf dem Stuhl, die pure Angst im
Gesicht. Anscheinend den letzten Mumm zusammenkratzend, erhob sie sich und
machte Anstalten rückwärts den Raum zu verlassen. Bent war schneller und
versperrte ihr den Fluchtweg. Wie ein Vögelchen in der Falle schaute sich
Kara um. Von hier gab es kein anderes Entkommen als durch diese eine Tür.
Bent schaute in das kleine liebe Gesicht der anderen, die gut einen Kopf
kleiner als sie selbst war, zierlich, und Bents Meinung nach nicht unbedingt
sehr helle. Flink und grausam wie eine Katze eine Maus fängt, drehte sie
Kara einen Arm auf den Rücken, entwand ihr das Schriftstück, setzte sich
wieder und begann zu lesen: |
Die Titel "Am Horizont der Sonne", "Deshret Rote Erde",
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